Blume auf der Wiese

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Als ich mich mit den polyamoren Beziehungsformen und der Freien Liebe eingehende beschäftigte, ist mir in Videos häufiger das Bild einer Blume begegnet. Der Partner sei eine Blume auf der Wiese, doch es gebe auch andere schöne Blumen. In diesem Bild wenden sich Partner, die sich in einer polyamoren Beziehung befinden, nicht nur einer Blume emotional und sexuell zu, sondern mehreren. Eine Blume dürfe nie geplückt werden, um sie besitzen zu wollen, denn dann würde sie verwelken.

Dieses Bild der Blume kann meiner Ansicht nach auf alle Beziehungsformen bezogen werden. In einer monogamen Beziehung wird die sexuelle Aufmerksamkeit in die Richtung einer Blume gelenkt, doch dafür muss sie keinesfalls gepflückt werden. Auch in monogamen Beziehungen können beide Partner frei sei, wenn sie sich jeden Tag frei füreinander entscheiden.

Nicht nur monogam, sondern auch viele polyamor lebende Paare ziehen eine Grenze bei sexuellen Kontakten außerhalb ihrer Beziehung – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Frei liebende Paare hingegen wollen möglichst alle Grenzen überwinden, weil bei ihnen die Freiheit allumfassend gelebt werden soll. Doch diese “grenzenlose Freiheit” scheint frei liebende Paare regelmäßig an ihre persönlichen Grenzen zu führen. Warum entsteht denn ein “ungutes Gefühl”, wenn sich ein Partner sexuell einem anderen Partner zuwendet, wie es im nachfolgenden Video zwischen Minute 5:12 und 8:30 beschrieben wird?.

Raw Spirit

Im Laufe meiner Recherchen bin ich zur Ansicht gekommen, dass Sex eine sehr starke Kraft entfalten kann, die einen immens großen Einfluss auf unsere Emotionen hat. Daher halte ich die “unguten Gefühle”, denen ich einen eifersüchtigen Charakter zuschreiben würde, für gut nachvollziehbar. Denn “ungute Gefühle” werden eben nicht nur von unserer individuellen, sondern auch von der universellen Prägung verursacht, die evolutionären Ursprungs ist. Diese evolutionäre Prägung weiß um die Erschütterungen, die sexuelle Außenkontakte für eine Beziehung bedeuten können. Daher finde ich es persönlich schwierig, wenn manche frei liebenden Paar die “unguten Gefühle” einer mangelnden persönlichen Reife oder einem “anhaftenden Ego” zuschreiben, das es zu “überwinden” gelte.

Dass sich die junge Frau für “noch nicht reif genug” hält, wird im vorstehenden Video zwischen Minute 13:30 und 14:20 deutlich. Dort schildert sie ihr unbehagen, dass ihr Freund Christian rechts im Video sich mit anderen Frauen trifft und entschuldigt sich fast dafür, dass sie dieses “Unbehagen” bzw. Eifersucht verspürt – da es ihrer Ansicht nach ja schon besitzergreifend sei. Es scheint so, als ob bereits jeglicher Wunsch, wie sich der Partner verhalten sollte, als einengend und “unreif” erachtet wird.

Bemerkenswert finde ich, dass Christian in seiner späteren Lebenphase vom Beziehungsmodell der “Freien Liebe” abrückt. In dem hier verlinkten Video spricht er ab Minute 13:47 über sein Beziehungsmodell “Monogamie +”, welches er im Ergebnis seiner vorherigen Erfahrungen aktuell führt. Sein Reifeprozess führte ihn also nicht zur “grenzenlosen Freiheit”, sondern letztentlich hin zu einer freiwilligen Selbstverpflichtung, die den Verstand mit seiner Struktur einbezieht. Denn ganz ohne ein Konzept, wie Christian gegen Ende des Videos ab Minute 18:32 ausführt, würden Beziehungen seiner Erfahrung nach eben nicht funktionieren. Er habe erfahren, dass “Freie Liebe” eben nicht freie Sexualität beinhaltet.

Zu diesem Ergebnis, dass Freie Liebe nicht Sex beinhalten muss, kommen auch Laila und Sebastian Michels im nachfolgenden Video. Ab Minute 15:54 sprechen sie darüber, wie sehr uns die schlecht vorgelebten monogamen Beziehungen der Eltern, Bekannten oder Freunden die eigene Wahl eines Partners oder einer Beziehungsform beeinflussen können. Über die Vor- und Nachteile der polyamoren Beziehungsform sprechen beide zwischen Minute 17:12 und 23:23. Laila geht dort auch auf die unterschiedlichen Energien ein, die bei den beiden Beziehungsformen wirken. Sie würde ihre Mitte verlieren, wenn sie sich sexuell auf mehrere Partner “einschwingen” müsste.

Bewusstzusammen – über Monogamie und Polyamorie

Auch bei der Freien Liebe oder Polyamorie dürfen meiner Ansicht nach “ungute Gefühle” zum Anlass genommen werden, nicht nur auf seine eigenen Prägungen, sondern auch auf ihren evolutionären Ursprung zu reflektieren. Es könnte nämlich auch sein, dass unsere Beziehung in eine Lebensphase eintreten möchte, in der wir uns beispielsweise eine exklusivere Beziehung wünschen, so wie es beispielsweise die Musou mit ihrer Besuchsehe vorleben. Ich persönlich kann nicht erkennen, dass wir unfreier werden, wenn wir einer Blume auf der Wiese (um bei dem Bild zu bleiben) mehr Aufmerksamkeit bzw. Exklusivität als anderen Blumen schenken.

Reife zeigt sich meiner Ansicht nach im respektvollen Umgang miteinander, das einerseits die Bedürfnisse beider Partner respektiert, andererseits aber auch die eigenen Grenzen aufgezeigt. In meinem Buch gehe ich auf unsere evolutionäre Prägung und den Aspekt der Ausgewogenheit genauer ein.

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