Während meiner Recherchen kam ich mit dem Aufsatz “Was ist sexuell Intimität” von Sascha Settegast in Berührung, der mich sehr beschäftigte. Meiner Ansicht nach gibt er aus philosophischer Sicht sehr gut wieder, dass Sex nicht nur eine körperliche, sondern immer auch anteilig eine emotionale Intimität beinhaltet – ob wir es wollen oder nicht. Intimität bedeutet, dass wir etwas sehr persönliches von uns preisgeben, eben weil wir durch sie unsere emotionale, verletzliche Seite zeigen.
Ich möchte hier einen Auszug aus seinem Aufsatz wiedergeben. Sascha Settegast schreibt:
„Fühlen wir uns zu jemanden körperlich hingezogen, ist es jedoch nicht bloß sein Körper an sich, den wir begehren. Denn in seinem Gesicht und seiner Haltung, in seiner Mimik und Gestik, in der Weise, wie er spricht, sich bewegt und verhält, wie er sich kleidet, pflegt und präsentiert, manifestiert sich immer auch seine Persönlichkeit, die Art und Weise, wie er in der Welt ist. Auch die spontane sexuelle Anziehung zwischen Menschen, die einander ansonsten kaum kennen, reflektiert demnach eine unterschwellige Resonanz ihrer Persönlichkeit und eröffnet damit die Möglichkeit der wechselseitigen Identifikation und Affirmation im Rahmen einer leiblich gefassten und deshalb weitgehend implizierten Wir-Erfahrung. Somit birgt auch Gelegenheitssex das Potential zu echter Intimität, mag diese auch vorübergehend und auf den Moment der Begegnung beschränkt sein.“
Nach seinen Ausführungen gehen wir beim Sex also nicht nur mit dem “Körper” eines anderen Menschen ins Bett, sondern auch immer mit Anteilen seiner Persönlichkeit. Eine vollständige Trennung zwischen der emotionalen und körperlichen Treue, wie es in offenen Beziehungen überwiegend vereinbart ist, scheint auch er für unmöglich zu halten. Sascha Settegast kommt aus philosophischer Sicht zum selben Ergebnis wie Helen Fisher aus psychologisch-biologischer. Der Aufsatz liefert eine weitere Erklärung für das Phänomen, dass die emotionale Ebene gegenüber einem Sexpartner – auch wenn es zwischen den Erstpartnern anders verabredet war – früher oder später ebenfalls geöffnet wird und mit Regeln kaum zu unterbinden ist.
Hierzu ergänzend führt Wolfram Zurhorst im nachstehenden Podcast ab Minute 9:40 aus, dass für ihn Sexualität die intimste Form der Kommunikation sei.
Wenn die Sexualität eines Paares einschlafe, dann hänge das seiner Erfahrung nach fast immer damit zusammen, dass die Kommunikation in der Beziehung insgesamt nicht mehr intim genug sei. Für ihn ist das Teilen sexueller Intimität mit Dritten keine Lösung für die Herausforderungen von Langzeitbeziehungen.
Ähnlich wie Wolfram Zurhorst meint Esther Perel, dass Sex eine Sprache und nicht bloß ein Verhalten sei. Alle diese Betrachtungen und Erfahrungen legen nahe, dass Sexualität mit einer sehr großen Intimität einhergeht. Bei offenen Beziehungen wird diese vielleicht intimste Sprache zwischen zwei Menschen aus dem Umfang der Exklusivität mit dem Erstpartner entfernt.
In meinem Buch widme ich ein ganzes Kapitel der Frage, was sexuellen Intimität umfasst.
Schreibe einen Kommentar