Nicht offen für Polyamorie

Lesedauer: ca. 2 Minuten

Die monogame Beziehungsform grenzt sich insbesondere durch die sexuelle Exklusivität von den polygamen Beziehungsformen ab. Zu den polygamen Beziehungsformen gehören im Wesentlichen die offene und die polyamore Beziehungsform. Polygame Beziehungsformen haben gemeinsam, dass einvernehmlich sexuelle Kontakte auch außerhalb der Beziehung erlaubt sind.

Bei meinen Recherchen war ich sehr überrascht, wie viele Paare, die eine offene Beziehungen führen, sich gegenüber der polyamoren abzugrenzen versuchen – obwohl doch in beiden Fällen sexuelle Nebenbeziehungen erlaubt sind. Ein oft benutztes Bild für eine offene Beziehung ist die „Burg„, welche die Erstbeziehung veranschaulichen soll. Sobald ein Sexpartner versuchen würde, in die Burg der Erstbeziehung zu kommen, wodurch er ihren Status gefährden könnte, soll die Nebenbeziehung mit ihm beendet werden. Das hört sich zunächst nach einer sehr klaren Grenze an. Doch wie stark ist die Grenze bzw. die Mauer dieser „Burg“ in der Praxis tatsächlich?

Im Zuge meiner Recherchen habe ich die Erlebnisse vieler Paare verglichen, die sich schon über mehrere Jahre in einer offenen Beziehung bzw. Ehe befinden. Dabei ist mir eine Gemeinsamkeit aufgefallen: In fast ausnahmslos allen Fällen haben die Erstpartner, unter ihnen insbesondere die Frauen, früher oder später eine emotionale Verbundenheit einem Sexpartner gegenüber entwickelt bzw. sich in diesen verliebt! Nach meiner Auffassung hat ein Sexpartner dadurch die Mauer der Burg zumindest auf der emotionalen Ebene durchbrochen, wodurch auch der größte Teil an Exklusivität mit dem Erstpartnern verloren gegangen sein dürfte. Die Mauer der Burg scheint dann in vielen Fällen nur noch auf der rationalen Ebene aufrecht gehalten zu werden, weil zwischen den Erstpartnern beispielsweise gemeinsame Verpflichtungen bestehen. Die Offenheit der offenen Beziehung scheint spätestens bei der Bereitschaft zu enden, die Lebensumstände an die neue Situation anzupassen.

Dass so viele in offenen Beziehungen lebende Paare gerade nicht offen gegenüber der Polyamorie sind, scheint einen Akt trotziger Auflehnung gegen die Dynamiken zu beinhalten, wie sie bei dieser Beziehungsform nunmal entstehen. Sich entwickelnde oder entstandene Liebesgefühle zu Sexpartnern werden dem Status der Erstbeziehung hintangestellt oder gar geopfert. Im Kontext einer offenen Beziehung ‚dürfen‘ Liebesgefühle kein Bedürfnis auslösen, die Beziehungsform in eine polyamore zu überführen. Davor soll auch die zwischen den Erstpartnern vereinbarte Endlichkeit der Affäre mit Sexpartnern schützen.

Natürlich können wir uns unabhängig von unserer Beziehungsform jederzeit und ungewollt in jemand anderen verlieben. Doch da bei offenen Beziehungen auch die sexuelle Intimität Sexpartnern gegenüber geöffnet ist, entsteht eine emotionale Verbundenheit deutlich häufiger als bei anderen Beziehungsformen. Damit stellt sich auch die Frage nach den Konsequenzen für die Beziehungsform.

Aus vorgenanntem Grunde sollte sich ein Paar, das seine Beziehung öffnen möchte, meiner Ansicht nach mit der Polyamorie auseinandersetzen. Denn die Mauer der „Burg“ wird früher oder später auf der emotionalen Ebene eingerissen werden. Und was genau sind dann die Gründe, welche die Erstpartner dann davon abhalten, in eine polyamore Beziehungsform zu wechseln?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

error: Content is protected !!