Während meiner Recherchen zu meinem Buch habe ich gelernt, dass viele Befürworter polygamer Beziehungsformen hinterfragen, warum sich Paare so gut wie alle Erfahrungen außerhalb ihrer Beziehung erlauben, jedoch sexuelle Erfahrungen davon ausschließen. Oft wird das mit Verlustangst und einem „anhaftenden Ego“ in Verbindung gebracht. Warum also dem Partner nicht auch sexuelle Erlebnisse außerhalb der Beziehung gönnen?
Während meiner Recherchen habe ich aber auch gelernt, dass sich die sexuelle Erfahrung von anderen Erfahrungen in vielen Aspekten tatsächlich deutlich unterscheidet:
- Während der sexuellen Begegnungen wird eine der intimsten Seiten der Persönlichkeit offenbart, die bei nicht-sexuellen Begegnungen verborgen bleibt.
- Beim Sex zeigen wir unsere Genitalien, die noch nicht einmal bei irgendeinem Naturvolk unbedeckt bleiben, in erregtem Zustand.
- Sex öffnet tendenziell auch die emotionale Ebene, weil wir nunmal emotionale Wesen sind und daher eine Trennung unserer Gefühle bzw. eine Aufteilung unserer Bedürfnisse zwischen dem Erst- und Sexpartner nur schwer aufrecht haltern können.
- Beim Sex werden nicht nur Dopamine ausgeschüttet, wie es bei Vergnügen wie beispielsweise Achterbahnfahren usw. geschied, sondern zusätzlich auch Bindungshormone.
- Sex soll auf der spirituellen Ebene eine über den Geschlechtsverkehr andauernde Verbindung bewirken.
- Sex dient eben nicht nur dem Vergnügen, sondern auch der Fortpflanzung, wodurch evolutionär begründete Reaktionen ausgelöst werden.
Da sich die sexuelle Erfahrung im Wesentlichen von anderen Erfahrungen insbesondere in puncto Intimität unterscheidet, ist für mich der Tenor von manchen Befürwortern polygamer Beziehungsformen schwierig, die sexuellen Erfahrungen in einem Atemzug mit der anderen Erfahrungen zu nennen. Aus meiner Sicht ist es für jede Beziehung eine einschneidende Entscheidung, ihre Exklusivität um Sex zu mindern, weil sie dadurch großen Veränderungsdynamiken ausgesetzt wird. Das wird aus meiner Sicht bei der eingangs wiedergegebenene Auffassung zu wenig berücksichtigt. Dass die meisten Paare aus vorgenannten Gründen Erfahrungen und sexuelle Erfahrungen voneinander abgrenzen, ist für mich nachvollziehbar.
Außerdem sollte jedes offen.lebende Paar für sich klären, wie es konkret deren Beziehung bereichert, wenn gerade sehr intime und erfüllende Erlebnisse ausgelagert, also nicht (mehr ausschließlich) in sondern stattdessen außerhalb der Beziehung erfahren werden. Wie kann also eine positive Energie, die außerhalb der Beziehung erfahren wird, die Energie der Beziehung bereichern?
In meinem Buch setze ich mich mit der Wirkung von Exklusivität in Beziehungen ausführlich auseinander.
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