In der heutigen Zeit scheinen polygame Beziehungsmodelle voll im Trend zu liegen. In den Medien nehmen Berichte über sie viel Patz ein, zu groß scheint das Interesse an alternativen Beziehungsformen zu sein. Die Monogamie wirkt verstaubt und ihr haftet die Langeweile des Bekannten und des christlich kirchlichen Dogmas an. Und die Wissenschaft ist sich weitestgehend einig, dass wir nicht für eine lebenslange Monogamie ausgelegt sind. In vielen monogamen Beziehungen geht ein Partner heimlich fremd und öffnet damit die Beziehung einseitig und ohne Einvernehmen. Parallel hat die Akzeptanz gegenüber polygamen Beziehungsformen im letzten Jahrzehnt stark zugenommen, sodass immer mehr Paare eine polygame Beziehungsform ausprobieren. Ist die Monogamie also ein Auslaufmodell? Kann die Polygamie unsere Bedürfnisse besser erfüllen?
Tatsächlich setzen die polygamen Beziehungsformen die monogame Beziehungsform stark unter Druck. Es ist insbesondere die ehrliche Kommunikation über das Gefühlsleben, die Paare in polygamen Beziehungen miteinander praktizieren und die in monogamen Beziehungen überwiegend zu kurz kommt. Das mag auch daran liegen, dass es in monogamen Beziehungen noch immer Tabu- Themen gibt. Insbesondere sexuelle Impulse und Anziehungen, die außerhalb der Beziehung auftreten, werden dem Partner verschwiegen oder gar als „pervers“ abgetan, denn die sexuelle Exklusivität wird als selbstverständlich angesehen. Meiner Ansicht nach wird diese Form der monogamen Beziehung, in der es Tabu- Themen gibt und die nicht auf Ehrlichkeit beruht, tatsächlich keine Zukunft haben.
Dass es auch anders geht, zeigen u.a. die Erfahrungen von Patrick Reiser, über die er im nachfolgenden Video berichtet.
Patrick hat Erfahrungen mit offenen Beziehungen gesammelt und sich schließlich entschieden, mit seiner Frau Julia eine monogame Beziehung zu führen. Ihre monogame Beziehung beruhe auf Ehrlichkeit, es würde über alles offen und ehrlich gesprochen werden – auch und gerade über sexuelle Impulse und Anziehungen im Außen. Doch diese Energie werde in ihre Beziehung gelenkt, sodass ihre Sexualität erfüllt und lebendig bleiben würde. Als großen Vorteil dieser „bewussten Monogamie“ sieht er zuerst das große Potential mit dem Partner eine sehr tiefe Verbundenheit eingehen zu können. Denn die monogame Beziehungsform erschaffe einen sicheren Raum, der immens wichtig sei, um diese tiefe Verbundenheit aufzubauen und zu erhalten.
Über diesen sicheren Raum einer Beziehung spricht auch Kiria Vandekamp in ihrem Video über das Bindungshormon Oxytocin. Dieser sichere Raum sei sehr wichtig, um das Oxytocin fließen lassen zu können. Dies stärke die Verbundenheit zwischen den Partnern. Sie gibt im nachfolgenden Video Denkanstöße, auf was uns die sexuelle Anziehung, die wir außerhalb unserer Beziehung erleben, hinweisen könnte.
Wie Patrick Reiser meint auch Kira Vandekamp, dass wir die Wahl hätten, sexuellen Impulsen im Außen nachzugehen oder stattdessen mit unserem Partner tiefer in die Beziehung einzutauchen. Ihrer Erfahrung nach weichen viele Partner, die ihre Beziehung öffnen wollen, unbewusst der Entscheidung aus, diese zu vertiefen.
Ähnliche Erfahrungen wie Patrick Reiser und Kiria Vandekamp haben auch Christina und Walter Hommelsheim gesammelt. Im nachstehenden Video berichtet Christina ab Minute 1:35, dass viele Paare lieber dem „Kick“ des Neuen folgen, anstelle ihre Beziehung zu vertiefen. Beide Bedürfnisse könnten jedoch durch Wir- Erfahrungen miteinander verbunden werden, indem das Paar beispielsweise gemeinsam einen Swingerclub besucht – was im Rahmen einer monogamischen Beziehungsform laut Jessica O’Reilly das Sexualleben des Paares sehr bereichern kann.
Wenn der monogamen Beziehungsform die alten Zöpfe abgeschnitten werden und sie sich die offene und ehrliche Kommunikation abschaut, wie sie in polygamen Beziehungsformen überwiegend geführt wird, kann sie einen monogamischen Charakter annehmen und sich reformieren. Und sie kann ihre Stärken ausspielen, welche insbesondere darin bestehen, die Beziehung in eine große Tiefe zu führen und zugleich das Bedürfnis nach Bindung, Heimat und Sicherheit zu erfüllen. Paare, die ihre offene Beziehung geschlossen haben, berichten davon, dass es gerade der Fokus auf einen Partner sei, der diese Reise in die Tiefen ihrer Beziehung ermögliche. Da dieser Fokus bei polygamen Beziehungsformen fehlt, können sie dieses Bedürfnis nach Tiefe nur mit größeren Abstrichen erfüllen.
Ein Zitat, das der Paartherapeutin Gertrud Wolf zugeschrieben wird, besagt: „Wir können nicht beliebig in die Breite gehen, wenn wir in die Tiefe gehen wollen.“ Alle Beziehungsformen haben in unterschiedlicher Weise Vor- und Nachteile. Wenn wir frei von Mustern und Prägungen die Vorteile gegen die Nachteile abwägen, dann können wir uns im Ergebnis für eine Beziehungsform entscheiden, die uns am meisten erfüllt. Wenn ein Paar die Tiefen ihrer Beziehung erkunden will, dann sollte die monogame bzw. monogamische Beziehung den günstigsten Raum dafür anbieten können. In meinem Buch gehe ich sehr ausführlich auf die Wesenszüge der verschiedenen Beziehungsformen ein.
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