Bedürfnisse sind unschuldig

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Während der Recherchen zu meinem Buch haben mir zwei Videos sehr gut gefallen, in denen sich Aino Simon und Veit Lindau gegenseitig zum Thema Treue befragen. Sie beide leben in unterschiedlichen Beziehungsformen: Aino mit ihrem Mann Nils in einer offenen, Veit mit seiner Frau Andrea in einer monogamen Ehe.

Veit Lindau über seine Sicht von Treue
Aino Simon über ihre Sicht von Treue

Übereinstimmend meinen beide, dass es keine “verbotenen” Bedürfnisse gebe. Jedes Bedürfnis sei erstmal unschuldig und jeder habe das Recht und die Freiheit, Bedürfnisse zu fühlen. Beide meinen auch, dass Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit für jede Beziehungsform existenziell sei. Für sich persönlich haben beide allerdings entschieden, mit den wahrgenommenen Bedürfnissen unterschiedlich umzugehen. Während Aino und ihr Mann festgestellt haben, dass sie sexuell nicht exklusiv bleiben können und daher einvernehmlich ihre Beziehung geöffnet haben, hat Veit Lindau nach einer Phase des “Ausprobierens” für sich festgestellt, dass es ihn nicht freier und glücklicher mache, wenn er sexuellen Impulsen im Außen nachgehe. Er erlebe stattdessen eine größere Verbundenheit und Tiefe mit seiner Frau, wenn er mit ihr sexuell exklusiv bleibe.

Aus meiner Sicht steht der integre und bewusste Umgang mit Bedürfnissen im Mittelpunkt der Frage, welche Beziehungsform für jeden von uns erfüllend ist. Dabei halte ich es für sehr wichtig, unsere Bedürfnisse nicht mit unseren Impulsen zu verwechseln. Jede Beziehungsform hat ihre Vor- und Nachteile und jeder von uns sollte prüfen, welche Energie er in seiner Beziehung erleben möchte. Dies wird ganz wesentlich von der persönlichen Bindungsstrategie abhängen.

In Beziehungen spiegeln sich die Partner gegenseitig. Jede Beziehungsform bringt das Potential mit, seine tief verwurzelten Ängste wahrnehmen zu können – insbesondere der Blick auf diejenige, die abgelehnt wird. Daher erachte ich es für wichtig, sich mit den Gefühlen zu beschäftigen, die sich bei den Gedanken an die abgelehnte Beziehungsform zeigen.

Bei offenen Beziehungen werden Ängste oft bei dem Erstpartner hervorgeholt, dessen anderer Erstpartner sich einem Sexpartner zuwendet. Bei monogamen Beziehungen ermöglicht der sichere Raum dieser Beziehungsform, diesen Ängsten zu begegnen. Während die tief verwurzelten Ängste bei offenen Beziehungen tendenziell akut auftreten, erscheinen sie bei monogamen Beziehungen gemächlicher und können ruhiger verarbeitet werden.

Mit der Entscheidung, wie wir mit Bedürfnissen umgehen und wie wir sie aufteilen, entscheiden wir ebenfalls über den Weg, wie wir uns über unsere Beziehung entwickeln wollen.

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