Freiheit und Hedonismus

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Das Bedürfnis nach Freiheit scheint eine ganz zentrale Rolle bei der Wahl unserer Beziehungsform zu spielen. Insbesondere bei der offenen Beziehungsform wird die persönliche Freiheit und die des Erstpartners sehr betont.

Dabei wird Freiheit gerne häufiger mit Hedonismus in Verbindung gebracht. Zu einem „freien“ Leben gehört für viele von uns, dass wir es möglichst jederzeit in vollen Zügen genießen und auskosten können. Doch bei genauerer Betrachtung gibt es keine allumfassende Freiheit. Denn wenn wir uns für etwas entscheiden, müssen wir fast immer etwas anderes aufgeben.

Es ist durchaus sinnvoll, auf einige Freiheiten zu verzichten, wenn wir ein Ziel erreichen wollen. Wollen wir Qualität erfahren, dann müssen wir unsere Freiheit, Quantität erleben zu können, einschränken. Aus diesem Grunde funktioniert der Hedonismus nicht dauerhaft, sondern nur phasenweise: Um heute die Freiheit zu haben, sich etwas leisten zu können, mussten wir davor Zeit in unsere Ausbildung investieren. Um heute die Freiheit zu haben, ein Musikinstrument spielen zu können, mussten wir die Zeit davor auf diesem üben. Um heute die Freude an einer liebevollen, erfüllenden Beziehung erfahren zu können, mussten wir uns in der Zeit davor mit unseren Mustern und Ängsten beschäftigen und diese auflösen. Zeit zu investieren, in der wir unseren hedonistischen Bedürfnissen nicht nachgeben, sondern stattdessen unsere Fähigkeiten verbessern, bringt uns zur Meisterschaft. Qualität und Wert erfahren wir nur, wenn wir uns üben und dadurch zeitweise andere Freiheiten aufgeben. Wollen wir hingegen unsere Freiheiten immerzu auskosten, erfahren wir Quantität und Auswechselbarkeit. Würden wir fortwährend hedonistisch leben, würden wir in der Zukunft sogar Freiheiten verlieren.

In seinem Buch „Liebe radikal“ schreibt Veit Lindau über Freiheit: „Freiheit heißt auch nicht, alles zu tun, was Du willst. Sondern frei zu sein, um das zu tun, was in jedem Augenblick angemessen ist. Manchmal bedeutet Freiheit loszugehen. Und manchmal bedeutet Freiheit, deine Freiheit bewusst zu opfern. Einem anderen Menschen zu gestatten, neben dir frei zu sein, heißt nicht, ihm zu gestatten, mit dir zu tun, was er will. Ruhig deine Grenzen aufzuzeigen, Konsequenzen zu erklären und auch einzuhalten, ist etwas völlig anderes als zu kontrollieren, zu drohen, zu reglementieren. Freiheit gibt dir und deinem Partner die Würde zurück [Quelle: Veit Lindau – Liebe radikal; Kailash Verlag, 4. Auflage 2014, Seiten 394 und 395]. Auch nach der Auffassung von Veit Lindau widersprechen sich Freiheit und Grenzen nicht.

Freiheit bedeutet im Wesentlichen, dass wir uns ohne irgendeinen Zwang für oder gegen etwas entscheiden können. Dadurch werden wir andere Freiheiten aufgeben müssen. Dazu gehört auch, dass wir Hedonismus zwar nicht ausschließen wollen, ihn jedoch nicht als oberstes Ziel unseres Lebens anstreben. Doch wenn uns bewusst wird, dass unser Glück häufig nicht vom Auskosten einer Freiheit bzw. einer hedonistischen Lebensweise abhängt, werden wir es nicht als Verlust empfinden, auf manche Freiheit zu verzichten.

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