Kulturell überformt

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In vielen Aufsätzen über Beziehungsformen wird ausgeführt, dass die monogame Beziehung nur ein kulturelle Prägung sei und eine polygame Beziehungsform viel eher „unserer Natur“ entsprechen würde. Dabei wird gerne außer Acht gelassen, dass auch polygame Beziehungsformen Ergebnis einer kulturellen Prägung sind.

Innerhalb der Polygamie wird im Wesentlichen zwischen der Polygynie und der Polyandrie unterschieden. In der Polygynie führt ein Mann parallele Beziehungen zu mehreren Frauen (Harem). In diesen Kulturen wird vom Mann erwartet, dass er alle seine Frauen und die aus den Beziehungen gezeugten Nachkommen versorgen kann. Der Mann, der sich mehrere Frauen „leisten“ kann, genießt in diesen Kulturen ein hohes Ansehen und kann seine Gene häufiger in die nächste Generation bringen. Die Polygynie wird in vielen islamisch geprägten Kulturen praktiziert.

In der Polyandrie führt eine Frau parallele Beziehungen zu mehreren Männern. In diesen Kulturen herrscht Ressourcenknappheit, es ist viel Aufwand erforderlich, um den Bedarf des täglichen Lebens sicherzustellen. Durch die Polyandrie wird einerseits die Arbeitsleistung erhöht und andererseits die Anzahl der Nachkommen reduziert, weil die knappen Ressourcen nicht ausreichen, um eine größere Bevölkerungsdichte zu versorgen. Die Polyandrie wird überwiegend in hinduistisch geprägten Kulturen praktiziert.

Sowohl die Polygynie als auch die Polyandrie verfolgen ebenso wie die Monogamie aus gesellschafter Sicht das Ziel der Versorgung. Bei der Polygynie kommt noch hinzu, dass der Mann seinen Status hervorheben kann. Daher spielen auch bei polygamen Beziehungen wirtschaftliche Überlegungen bzw. Zwänge eine Rolle. Interessant ist, dass Eifersucht auch in polygam geprägten Kulturen vorkommt.

Die Beispiele zeigen, dass alle Beziehungsformen kulturell überformt sind, gesellschaflichen  Regeln unterliegen und nicht das Ziel der individuellen und freien sexuellen Entfaltung verfolgen. Daher halte ich es für schwierig, mit Verweis auf polygam geprägte Kulturen zu argumentieren, dass die Monogamie ja nur ein kulturelles Phänomen und die Polygamie viel „natürlicher“ sei. Daran zutreffend ist, dass Monogamie im Sinne von „nur ein Partner ein Leben lang“ tatsächlich die große Ausnahme ist. Das Bedürfnis nach sexueller Entfaltung, wie sie insbesondere die offene Beziehungsform anstrebt, ist vielmehr ein Phänomen, dass den meisten polygam geprägten Kulturen fremd ist.

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