Beziehungsformen der Zukunft

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In den Medien wird zunehmen von offenen Beziehungsformen berichtet. Die in den westlichen Industrieländern vorherrschende monogame Beziehungsform wird gleichzeitig immer mehr in Frage gestellt. Tatsächliche sind die Scheidungsraten hoch und Studien zeigen, dass in Ehen ein Partner mit 30 bis 50 prozentiger Wahrscheinlichkeit fremdgeht. Die monogame Beziehungsform scheint nicht alle unsere Bedürfnisse, die wir in eine Beziehung legen, erfüllen zu können. Doch können das die offenen Beziehungsformen besser, denen gerade soviel mediale Aufmerksamkeit geschenkt wird? 

monogamy is overrated - Monogamie wird überschätzt
Werbetafel vor einem Cafe in Berlin-Mitte: „MONOGAMY IS OVERRATED“ – „Monogamie ist überbewertet“. Doch wie sieht es bei den polygamen Beziehungsformen aus? Werden wir zukünftig mehrheitlich in polygamen Beziehungen leben? Oder sind diese vielleicht auch überbewertet?

Das öffentliche Interesse gibt jedenfalls aktuell nicht die Akzeptanz offener Beziehungsformen wieder. In Deutschland sollen nach den Forschungsergebnissen von Ragner Beer gerade mal 3 Prozent der Paare in einer offenen Beziehung leben, allerdings seien in nur 1 Prozent der Fälle beide Partner glücklich mit dieser Beziehungsform. In den USA sind es nur geringfügig mehr. 

Dass nicht mehr Paare glücklich in offenen Beziehungen leben, wird u.a. den gesellschaftlichen und familiären Prägungen zugeschrieben. Doch selbst wenn diese Prägungen vollständig wegfallen, würde es verwundern, wenn der überwiegende Teil der Paare in offenen Beziehungen leben würde. Denn auch offenen Beziehungen scheinen nicht alle Bedürfnisse erfüllen zu können. Dass offene Beziehungen in vielen Fällen die Bedürfnisse nicht besser als monogame erfüllen, zeigen die Paare, die entschieden haben, ihre offene Beziehung wieder zu schließen.

In meinem Buch gehe ich genauer auf die sogenannte „monogamische“ Beziehungsform ein, die an Bedeutung zunimmt. Die Sexollogin Jessica O’Reilly, die sowohl die monogame als auch die offene Beziehungsform in der Krise sieht, gilt als Vordenkerin dieser Beziehungsform. In der monogamischen Beziehungsform akzeptiert das Paar, dass erotische Fantasien auch außerhalb der Beziehung bestehen, es kommuniziert offen und ehrlich darüber und versucht diese Fantasien weitestgehend in die Beziehung zu integrieren.

TED – Jessica O’Reilly über die monogamische Beziehung

Im Ergebnis meiner Recherchen gehe ich persönlich davon aus, dass die Anzahl polygamer Beziehungsformen zunehmen wird. Der Philosoph Peter Singer geht bespielsweise davon aus, dass künftig in etwa 25% der Paare offene Liebesbeziehungen führen werden. Seiner Ansicht nach wird die seriell monogame Beziehungsform auch künftig dominant bleiben – und das nicht aus moralischen, sondern biologisch- evolutionären Gründen. Ich persönlich gehe im Ergebnis der Recherchen zu meinem Buch davon aus, dass die seriell monogame Beziehungsform, die auf Ehrlichkeit beruht und einen monogamischen Charakter besitzt, in jedem Fall einen bedeutenden Platz innerhalb der Beziehungsformen behalten bzw. einnehmen wird („Monogamie 2.0“). Die „radikale“ Ehrlichkeit der monogamischen Beziehungsform erlaubt es, dass das Paar in große Tiefen ihrer Beziehung vordringen kann.

Die Grenze zwischen der monogamischen und offenen Beziehung ist nicht klar definiert. Jessica O’Reilly sieht die monogamische Beziehung als ein Miteinander zweier Partner, die sich tabulos, offen und ehrlich alle sexuellen Wünsche und Fantasien mitteilen. Sie können auch zu erotischen Events gehen, belassen es jedoch beim „just talk but don’t touch“ – gehen also keine sexuellen Außenkontakte ein. Andere Paare gehen soweit, dass sexuelle Kontakte zu weiteren Personen zwar erlaubt sind, solange sie zeitgleich und miteinander beispielsweise im Swingerclub stattfinden. Sexuelle Kontakte ohne Beisein des Partners gehören in jedem Fall nicht mehr zum Spektrum der monogamischen Beziehungsform.

Meiner Ansicht nach kann von einer monogamischen Beziehung solange gesprochen werden, wie das Paar miteinandern als „Wir“ auftritt. Treten die Partner hingegen alleine als „Ich“ auf, befinden sie sich in einer offenen Beziehung. In meinem Buch gehe ich auf diese Differenzierung und auf die Vor- und Nachteile der Beziehungsformen noch genauer ein.

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